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72. Procurement für Scale-ups – Der richtige Umgang mit Einkaufsverträgen

von | 16 Okt 2023 | IT-Recht

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Die Beschaffung (Procurement) ist ein entscheidender Aspekt im Geschäftsleben, der eine breite Vielfalt von Vertragsarten und -gestaltungen mit sich bringt. Gerade in Start-ups gehört das Einkaufsmanagement dennoch nicht zu den internen Kernbereichen und wird eher zufällig behandelt. Dabei trägt ein durchdachter Umgang mit Einkaufsverträgen zu einer gesunden Skalierung bei. Der interne Einkaufsprozess kann ein Hebel für Effizienz, Risikominimierung, Produktgestaltung, Finanzplanung und Außenwirkung sein.

Vertragsvielfalt – Rahmenverträge, Einzelverträge und Einkaufsbedingungen

Procurement ist mit einer Vielfalt von Vertragsarten und -gestaltungen verbunden. Unternehmen nutzen in der Regel zwei Hauptansätze: Rahmenverträge und Einzelverträge.

Rahmenverträge bieten Flexibilität und langfristige Partnerschaften, da sie allgemeine Bedingungen und Konditionen für wiederkehrende Geschäfte festlegen. Innerhalb dieser Rahmenvereinbarungen erfolgt die Bestellung oft durch spezifische Einzelkontrakte, die Orderdetails konkretisieren. Einzelverträge bieten sich dagegen bei kleinen oder einmaligen Geschäften an.

In jedem Fall spielt die Standardisierung von Vertragsmustern eine große Rolle, um Risiken zu minimieren, Regelungslücken zu vermeiden und Skalierbarkeit zu erzeugen. Vorgefertigte Einkaufs- bzw. Verkaufsbedingungen helfen dabei als „Procurement-AGB“.  Häufig ist es das wirtschaftlich stärkere Unternehmen, welches seine Einkaufs- oder Verkaufsbedingungen vorgibt. Für kleine Unternehmen muss das nicht immer zu einem Nachteil werden. Das Einbeziehen fremder Verkaufsbedingungen ermöglicht einen schnelleren Vertragsabschluss und führt zu einem besseren rechtlichen Schutz, da das AGB-Recht Unwirksamkeits-Risiken auf den Verwender der Vertragsbedingungen auferlegt. Entscheidend für einen interessengerechten Umgang mit fremden Verkaufsbedingungen ist eine zielgerichtete Prüfung nach Regelungen, die nicht umsetzbar oder unkalkulierbar sind („Red-flags“).

Interne Prozesse – Skalierbarkeit und Kalkulierbarkeit

Interne Prozesse im Beschaffungswesen müssen sowohl einfach als auch standardisiert sein. Ein umfassender Überblick über Verträge, ihre Dokumentation und Standardisierung sind entscheidend, um Effizienz zu steigern. Die Verantwortlichkeiten innerhalb des Unternehmens sollten klar verteilt sein, wobei eine zentrale Abteilung (z.B. Finanzen oder eben ein Procurement-Team) für strategische Rahmenverträge zuständig ist, während Fachabteilungen Einzelkontrakte im operativen Einkauf verantworten. Die Einbindung von Juristen kann bei der Erstellung eigener Standards ebenso helfen wie bei der pragmatischen Prüfung fremder Verkaufsbedingungen.

Die wesentlichen Vertragsbestimmungen – Kalkulierbarkeit und Zuverlässigkeit

Ein Ausgleich zwischen Zuverlässigkeit und Kalkulierbarkeit bei gleichzeitiger Preisoptimierung ist das zentrale Ziel im Procurement, besonders gilt dies für Rahmenverträge über längere Laufzeit. Mindest- und Höchstmengen sind die wichtigsten Kriterien, sie müssen an die geschäftlichen Bedürfnisse und die Lieferantenkapazitäten angepasst sein. Preisklauseln, insbesondere in Zeiten wirtschaftlicher Volatilität und Inflation, sind unabdingbar, um Preisanpassungen zu ermöglichen und Kostentransparenz zu gewährleisten. Wichtig ist hier das Einhalten gesetzlicher Grenzen, z.B. hinsichtlich der Bindung von Preisen an Preisindizes nach dem Preisanpassungsgesetz. Auch die Transparenz der Preisanpassungsfaktoren und die Gegenseitigkeit sind entscheidend.

Über Laufzeit und Exklusivität lässt sich die wirtschaftliche Bindung steuern, was einerseits auf Preise, andererseits auf Kalkulierbarkeit und Flexibilität Einfluss hat.

Spezifika und Standards

Spezifika und Standards des beschafften Produkts oder der Dienstleistung sollten detailliert und klar festgelegt werden. Besonders bei Zulieferungen sind die technischen Vorgaben an das eigene Produkt durchzureichen.

Lieferbedingungen, oft unter Verwendung der Incoterms, regeln den Transport und die Verantwortlichkeiten während des Versands. In Bezug auf Annahme und Haftung ist es wichtig, klare Bedingungen für den Akzeptanzprozess und die Verantwortlichkeiten bei Mängeln oder Schäden festzulegen. Zentral ist hier die Frage der handelsrechtlichen Rügepflicht nach 377 HGB und das Ausgestalten von Wareneingangskontrollen.

Die richtige Lieferantenauswahl

Die Auswahl des richtigen Lieferanten ist ein kritischer Schritt im Beschaffungsprozess, der weitreichende Auswirkungen auf das Unternehmen haben kann. Neben den bereits genannten Aspekten wie Lieferbedingungen und Preisen müssen etwa auch Standards zu Produktsicherheit oder zum Datenschutz berücksichtigt werden. Die Sicherstellung von Datenschutz und IT-Sicherheit ist dabei vor allem für digitale Geschäftsmodelle relevant. Die Beschaffung von IT-Leistungen ist regelmäßig mit einer Auftragsverarbeitung von personenbezogenen Daten (Art. 28 DSGVO) verbunden.

Ein umfassender Compliance-Prozess ist entscheidend, um sicherzustellen, dass der Lieferant geltenden Gesetzen und Vorschriften entspricht. Die Zuverlässigkeit des Lieferanten, seine Fähigkeit, Liefertermine einzuhalten und konsistente Qualität zu liefern, sollte nicht unterschätzt werden.

Darüber hinaus gewinnt die Nachhaltigkeit als Auswahlkriterium an Bedeutung. Für die Glaubhaftmachung der eigenen Standards im Bereich Environmental, Social and Governance (ESG) ist eine Durchsetzung gegenüber Vertragspartnern erforderlich. Mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz sind entsprechende Sorgfaltspflichten im Auswahlprozess auch rechtlich kodifiziert.

Unsere Autoren:
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Christian Herles
Christian Herles

Rechtsanwalt · Salary Partner

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