loader image

32. Verträge über digitale Produkte – Vertragstypus und Verbraucherschutz

von | 23 Jan 2023 | Datenschutz, Digitalisierung

Foto von eliahinsomnia

Digitale Produkte sind heute ein typisches Verbrauchsgut, Verträge hierüber also typische Verbraucherverträge. Durch die Schuldrechtsreform 2022 wurden mit den neuen §§ 327 bis 327u BGB erstmals spezielle schuldrechtliche Regelungen für Verträge über digitale Produkte eingeführt.

Daten als Währung

Die Neuerungen gehen auf die EU-Richtlinie (EU) 2019/770 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen zurück und sollen auch dem Umstand Rechnung tragen, dass als Gegenleistung für digitale Produkte nicht nur die Zahlung von Geld, sondern auch die Zahlung mit Daten als „Wert“ in Betracht kommt (§ 327 III BGB). Ein moderner und richtiger Gedanke.

Digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen

Der Anwendungsbereich der neuen Vorschriften ist praktisch sehr weit gefasst.

  • Digitale Inhalte sind nach § 327 II 1 BGB Daten, die in digitaler Form erstellt und bereitgestellt werden, also z.B. Apps oder eBooks.
  • Digitale Dienstleistungen beziehen sich nach § 327 II 2 BGB auf den Zugang oder die Interaktion mit Daten, also z.B. Cloud-Dienste oder Social Media.

Kein „besonderer“ Vertragstyp – Allgemeines Schuldrecht und die neuen Verträge über digitale Produkte

In der Systematik des BGB wird zwischen allgemeinen Regelungen für alle Vertragstypen (Allgemeiner Teil des Schuldrechts) und besonderen Regeln für spezielle Vertragstypen (Besonderer Teil des Schuldrechts) unterschieden. Als das Bürgerliche Gesetzbuch am 1. Januar 1900 in Kraft trat, wurden Vertragsgrundtypen geregelt, die bis heute prägend sind (Kauf, Miete, Werkvertrag, Dienstvertrag u.s.w.). Der Titel des neuen Abschnitts der §§ 327 ff. BGB „Verträge über digitale Dienstleistungen“ lässt zunächst vermuten, dass der Gesetzgeber einen neuen Vertragstyp geschaffen hat. Tatsächlich handelt es sich aber um Vorschriften des Allgemeinen Teils, die für unterschiedliche Vertragstypen gelten.

Welche Vertragstypen gelten für digitale Produkte? Das Besondere Schuldrecht

Welche besonderen Vertragstypen sind für digitale Produkte aber einschlägig, wenn die §§ 327 ff. BGB keinen eigenen Vertragstypus darstellen? Einen einheitlichen Vertragstypus für digitale Produkte gibt es nicht. Viele digitale Geschäftsbeziehungen lassen sich nicht mehr unter die im BGB geregelten Vertragstypen subsumieren, sondern stellen atypische oder gemischte Vertragstypen dar.

Ein wichtiges Beispiel sind etwa Cloud-basierte SaaS-Verträge. Es handelt sich um einen Typenmischvertrag mit Elementen eines Mietvertragsverhältnisses (Speicherplatz) und Dienstleistungsverträgen (Installation, Wartung). Überwiegend wird auf SaaS-Verträge Mietrecht angewandt, wenn der Schwerpunkt der Leistung auf dem Hosten von Daten liegt. Auch datenschutzrechtliche Vertragsbestandteile (etwa als Auftragsverarbeitungsvertrag nach Art. 28 III DSGVO) sind hier regelmäßig zu berücksichtigen.

Sind die Leistungen logisch voneinander trennbar, kann es sich auch um einen Kombinationsvertrag handeln. Beim Erwerb einer Software (Lizenzkaufvertrag) und der Wartung der Software (Dienstleistung) kann etwa Kauf- bzw. Dienstleistungsrecht auf den jeweils einschlägigen Vertragsteil angewandt werden.

Verbraucherschutz durch die neuen Regeln zu Verträgen über digitale Produkte

Die neuen §§ 327 ff. BGB gelten also für unterschiedliche Vertragstypen, gehen aber als speziellere Ausgestaltung für digitale Produkte vor (leges speciales). Dadurch wird vor allem das Verbraucherschutzrecht im Zusammenhang mit Verträgen über digitale Produkte vereinheitlicht. Dieses spezielle Verbraucherschutzrecht geht insoweit auf die spezifischen Probleme digitaler Produkte ein:

  • Zeitpunkt der Bereitstellung
  • Funktionsfähigkeit und Mangelfreiheit, sowie Verbraucherrechte bei Mängeln
  • Umgang mit Daten und Nutzung von Inhalten
  • Aktualisierung und Änderung von digitalen Produkten
  • Beweislast und abweichende Vereinbarungen

Ergänzend zu diesen Verbraucherschutzregeln wird in den §§ 327t, u BGB ein Rückgriffsrecht im Verhältnis zwischen Unternehmen (B2B) geregelt, wenn sich ein Unternehmen eines Vertriebspartners bedient und der Mangel bei diesem entstanden ist. Interessant bleibt abzuwarten, inwieweit sich das neue spezielle Gewährleistungsrecht auch auf das Mängelrecht von digitalen Produkten im B2B-Bereich ohne Verbraucherbezug auswirken wird.

Sie haben Fragen oder möchten sich mit mir zu dem Thema austauschen? Dann schreiben Sie mir, ich freue mich auf Ihre Nachricht!

christian.herles@baer.legal