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16. Virtuelle Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft auch nach der Pandemie möglich – Fluch oder Segen?

Foto von Jon Tyson
Durch die Corona-Pandemie wurde Deutschland in Sachen Digitalisierung auf den Boden der Tatsachen geholt. Noch nie war es offensichtlicher, dass Deutschland in dieser Thematik Nachholbedarf hat. Das nun vom Bundestag verabschiedete und am 1. August in Kraft getretene Gesetz zu virtuellen Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften könnte ein kleiner, aber wichtiger Schritt in ein digitales Deutschland sein. Das Gesetz sieht nun vor, dass die Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften auch nach der Corona-Pandemie virtuell möglich sein können und nicht verpflichtend in Präsenz abgehalten werden müssen. Wie das aussehen soll, schauen wir uns an:
Regelung während der Corona-Pandemie
Während der Corona-Pandemie wurde eine Sonderregelung für die Abhaltung der Hauptversammlung von Aktiengesellschaften eingeführt. Nach der Sonderregelung war es möglich, diese rein virtuell und ohne physische Präsenz der Aktionäre abzuhalten. Die Sonderregelung war Teil des Gesetzes über „Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie“. Sie endet jedoch zum 31.08.2022. Aufgrund der positiven Resonanz, der Bewährung in der Praxis und der gestiegenen Präsenzraten in den Versammlungen wurde vorgeschlagen, diese Regelung in abgeänderter Form auch nach der Pandemie bestehen zu lassen.
Das Gesetz der Koalitionsfraktionen – Welche Änderungen werden vorgenommen?
Der Gesetzesentwurf sieht eine Änderung im Aktiengesetz vor. Es werden unter anderem zwei neue Paragrafen ergänzt. Durch den neuen Paragrafen §118a AktG „Virtuelle Hauptversammlung“ sollen Aktiengesellschaften zukünftig zwischen der Hauptversammlung als Präsenzveranstaltung, als hybride Versammlung oder als rein virtuelle Veranstaltung entscheiden können. Somit liegt es in den Händen der Aktiengesellschaft, wie die Hauptversammlung abgehalten wird.
Zudem soll der Paragraf 130a AktG „Stellungnahme- und Rederecht bei virtuellen Hauptversammlungen“ ergänzt werden. Da die Kommunikation bei einer virtuellen Hauptversammlung anders ablaufen kann als bei einer Präsenzversammlung, wird den Aktionären bei einer virtuellen Hauptversammlung die Möglichkeit einer vorherigen Stellungnahme eingeräumt. Jedoch soll sich auch der Ablauf der virtuellen Versammlung sowie der Rechtewahrnehmung der Aktionäre möglichst nah an den Prozessen der Präsenzveranstaltung orientieren.
Zudem kann der Vorstand festlegen, dass die Fragen der Aktionäre bei einer virtuellen Hauptversammlung drei Tage vorher eingereicht und von dem Unternehmen bis zur Versammlung schriftlich beantworten werden müssen.
Aktionärsschützer üben Kritik
Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz und das Deutsche Aktieninstitut haben bereits Kritik geäußert. Problematisch sei, dass das pauschale Fragerecht der Aktionäre eingeschränkt werden würde. Nach dem Gesetz sind bei einer virtuellen Versammlung nur Rückfragen zu bereits im Vorhinein gestellten Fragen möglich. Dies hat zur Folge, dass die Aktionäre nicht mehr auf die Themen und aktuellen Entwicklungen der Versammlung eingehen können. Bei einer analogen Versammlung ist eine solche Beschränkung nicht gegeben.
Fazit – Mehr Schein als Sein?
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Idee der Gesetzesänderung ein Schritt in die richtige Richtung ist. Jedoch muss jede Aktiengesellschaft für sich selbst entscheiden, ob sie von der Änderung Gebrauch macht und ob eine virtuelle Versammlung für sie sinnvoll ist. Zudem sollte der Gesetzgeber eine Regelung finden, um das Fragerecht der Aktionäre zu schützen. Denn das Fragrecht einzuschränken, nur weil es sich um eine virtuelle Versammlung handelt, ist nicht schlüssig.
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