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08. Die neue Start-up-Strategie der Bundesregierung – der richtige Ansatz, zu vage im Detail

Foto von Jason Goodman
Die Bundesregierung, konkret das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) um Bundesminister Robert Habeck, hat am 1. Juni 2022 den Entwurf für eine umfassende Start-Up-Strategie vorgelegt. Auf den insgesamt 28 Seiten umfassenden Papier werden einige dringende Themen, die in der deutschen Start-Up-Szene bereits seit Jahren diskutiert werden, aufgegriffen sowie Zukunftspläne erörtert.
Ziel der Strategie soll laut BWMK sein, „Start-up-Ökosysteme in Deutschland und Europa zu stärken und so die Bedingungen für Start-ups zu verbessern.“
Vorausgegangen war dem Entwurf ein intensiver Austausch mit Stakeholdern aus allen Bereichen. In insgesamt sechs Workshops haben auf Einladung des BMWK verschiedene Expertinnen und Experten vertieft diskutiert u.a. über die Themen Existenzgründungen aus der Wissenschaft, Fachkräfte, Finanzierung, Gründerinnen, Mitarbeiterbeteiligung und Zugang von Start-ups zu Daten. Insgesamt wurden bei der Online-Konsultation zum Entwurf 76 Stellungnahmen eingereicht, die Sie hier finden können.
Der Zehn-Punkte-Plan
Der Entwurf der Start-Up-Strategie der Bundesregierung fokussiert sich auf zehn Kernthemen wie folgt:
- Finanzierung für Start-ups stärken
- Start-ups die Gewinnung von Talenten erleichtern – Mitarbeiterbeteiligung attraktiver ausgestalten
- Gründungsgeist entfachen – Gründungen einfacher und digitaler machen
- Start-up-Gründerinnen und Diversität stärken
- Start-up-Ausgründungen aus der Wissenschaft erleichtern
- Rahmenbedingungen für gemeinwohlorientierte Start-ups verbessern
- Start-up-Kompetenzen für öffentliche Aufträge mobilisieren
- Start-ups den Zugang zu Daten erleichtern
- Reallabore stärken – Zugänge für Start-ups erleichtern
- Start-ups ins Zentrum stellen
Innerhalb der kommenden Legislaturperiode will die Bundesregierung in vorgenannten Themengebieten Maßnahmen umsetzen und entsprechend fortentwickeln. Dieser Artikel gibt zunächst einen kurzen Überblick über die Kernthemen und ordnet diese sowie die angedachten Änderungen sowohl rechtlich als auch kommerziell ein.
Kernthemen im Einzelnen
1. Finanzierung für Start-ups stärken
Das deutsche Wagniskapitalmarkt hat sich zwar in den letzten Jahren weiterentwickelt, hat im internationalen Vergleich, insbesondere im Vergleich mit der USA oder Asien, noch Ausbaupotenzial. Bspw. ist der Anteil der Venture Capital Gesamtinvestitionen am Bruttoinlandsprodukt im internationalen Vergleich nur im Mittelmaß (KfW Research, Berichtsjahr 2021) und die die 20 größten europäischen Scale-ups zu 63 Prozent von US-Investoren finanziert („Follow the Money: How Venture Capital Facilitates Emigration of Firms and Entrepreneurs in Europe” Braun et al. 2021).
Die Bundesregierung will künftig die Finanzierungsinstrumente für Start-Ups erweitern und damit Start-Ups in verschiedenen Finanzierungsphasen stärken. Unter anderem werden mit dem Zukunftsfonds EUR 10 Mrd. öffentliche Mittel im Investitionszeitraum bis 2030 zur Verfügung gestellt. Des weiteren soll das INVEST-Programm, deren Förderbedingungen sich 2022 bereits geändert hatten (Artikel hierzu finden hier), zum 1. Januar 2023 neu aufgesetzt werden.
Ein Kernthema wird bei der Stärkung der Finanzierung die Änderung der Anforderung an Börsengänge sein. In den letzten Jahren wurden Börsengänge (IPO´s) von Start-ups oder Scale-ups immer häufiger zum Einwerben vom Finanzmitteln genutzt. Insbesondere weil es auch Bestandsinvestoren die Möglichkeit eines Exits verschuf. Die in Zusammenarbeit mit der Bafin eingesetzte Arbeitsgruppe soll nun prüfen, welche Möglichkeiten, auch vor dem Hintergrund des von der Europäischen Kommission angekündigten „Listing Act“, in Deutschland umsetzbar wären. Hier bleibt allerdings abzuwarten, ob und wenn ja inwieweit Reformen im stark formalistischen System der regulierten Märkte erfolgen werden.
Für frühphasige Unternehmen wird die Bundesregierung die vierte Generation des bewährten und etablierten High-Tech Gründerfonds aufsetzen.
2. Start-ups die Gewinnung von Talenten erleichtern – Mitarbeiterbeteiligung attraktiver ausgestalten
Neben fehlendem Kapital ist, laut einer Studie des Bundesverband Deutsche Startups e.V., die Hauptsorge bei Start-ups in Bezug auf das weitere Wachstum des Unternehmens der Fachkräftemangel (https://startupverband.de/fileadmin/startupverband/mediaarchiv/research/sonstige_studien/Report_Fachkraefte.pdf).
Die Bundesregierung will dies durch eine vereinfachte Zuwanderung von Fachkräften, aber insbesondere auch durch die Verbesserung bei Mitarbeiterbeteiligungsmöglichkeiten, angehen. Die Novellierung des Steuerrechts, insbesondere des § 19a EstG, wird bereits seit mehreren Jahren von der Start-up Szene in Deutschland verlangt. Änderungsbedarf wird dabei insbesondere bei den Themen Nachversteuerung identifiziert. So sieht die aktuelle Fassung des § 19a Abs.4 Nr. 3 EstG vor, dass bei Beendigung des Dienstverhältnisses die Besteuerung der Vermögensbeteiligung anfällt. Dies würde dazu führen, dass ein Arbeitnehmer, der das Start-up verlässt, auf seine Mitarbeiterbeteiligung Steuern entrichten muss, ohne dass er hierfür einen Wert in Geld erhalten hat. In der Praxis wird daher oft gefordert, dass eine Besteuerung in solchen fällen nicht erfolgt, sondern rein nach dem Zuflussprinzip eine Versteuerung der Vermögensbeteiligung vorgenommen wird. Es bleibt abzuwarten, welche steuerrechtlichen Änderungen hier in der kommenden Legislaturperiode vorgenommen werden.
In Zeiten der Pandemie und nun auch „Post-Corona“ ist sowohl für Unternehmen als auch für Arbeitnehmer das Thema „Remote-Work“ immer wichtiger. Allerdings fehlt es hier an einigen Stellen im Rahmen der geltenden Gesetze noch an der Rechtssicherheit bzw. an der Flexibilität, um ein für alle Seiten attraktives Remote-Work-Modell implementieren zu können. Hier will die Bundesregierung durch Klärung steuerrechtlicher und sozialversicherungsrechtlicher Fragen Hilfe leisten. Auch dieses Anliegen ist mehr als dringlich. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Arbeitswelt 4.0 da ist, es allerdings an den dafür entsprechend angepassten Regelungen steuerrechtlicher und sozialversicherungsrechtlicher Natur fehlt. Um allen Akteuren weitestgehende Rechtssicherheit zu gewährleisten, sind gesetzliche Änderungen sowie Leitfäden durch die jeweiligen Behörden sehr zu begrüßen.
3. Gründungsgeist entfachen – Gründungen einfacher und digitaler machen
Der deutsche Formalismus spiegelt sich besonders bei Gründungen von Kapitalgesellschaften wider. Durch das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) (https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/Bgbl_DiRUG.pdf;jsessionid=6227ACB7811575EC4CC9C21DC4144449.1_cid297?__blob=publicationFile&v=2.), welches der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1151 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht (ABl. L 186 vom 11.7.2019, S. 80) (https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32019L1151&from=DE.), dient, wurden zwar im Jahr 2021 Vereinfachungen bei der Gründung von GmbH´s vorgenommen. Allerdings sind hier noch erhebliche Verbesserungspotenziale ersichtlich.
Die Bundesregierung will daher Online-Beurkundungen von Sachgründungen sowie Anmeldungen zum Handelsregister im notariellen Onlineverfahren ermöglichen. Die technischen Voraussetzungen liegen ohnehin schon vor. Daher sollte dieses Vorhaben kurzfristig umsetzbar sein.
4. Start-up-Gründerinnen und Diversität stärken
Wie in vielen Bereichen der Wirtschaft, sind auch in den Bereichen Start-ups und Risikokapitalmarkt Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert.
Die Bundesregierung plant daher, durch die gezielte Finanzierung von divers und weiblich aufgestellten Wagniskapitalfonds einen Multiplikatoreffekt zu schaffen, der den Zugang zu Wagniskapital für Gründerinnen und diverse Start-up-Teams verbessert.
Daneben soll das bereits bestehende Förderprogamm EXIST, das Existenzgründungen aus der Wissenschaft fördert, durch eine neue Förderlinie EXIST Women erweitert werden.
Zukünftig soll zudem die Beteiligung von Frauen in Investmentkommittees von staatlichen Fonds und Beteiligungsgesellschaften deutlich gestärkt werden.
Diese Initiativen sind ausdrücklich zu begrüßen. Es ist vielfach erwiesen, dass divers aufgestellt Gründungsteams langfristig erfolgreicher sind.
5. Start-up-Ausgründungen aus der Wissenschaft erleichtern
Ausgründungen aus der Wissenschaft sind in Deutschland rückläufig. Die jährliche Anzahl an Gründungen je 10.000 Erwerbstätige in der Wissenswirtschaft ging in den letzten 20 Jahren in alten Ländern von 6,9 auf 4,2 zurück und in den neuen Ländern von 5,7 auf 3,7 (Gutachten der Expertenkommission Forschung Innovation (EFI) 2020; https://www.e-fi.de/fileadmin/Assets/Gutachten/EFI_Gutachten_2020.pdf).
Die Bundesregierung plant dabei beim Förderprogramm EXIST zusätzlich eine Exzellenzinitiative Entrepreneurship-Zentren auf den Weg bringen, um die Anzahl und die Qualität wissensbasierter Ausgründungen zu steigern. Darüber hinaus will die Bundesregierung bei der Übertragung geistigen Eigentums mehr Hilfestellung und Unterstützung geben und die Umsetzung von Standardlösungen (z.B. IP for virtual shares) fördern sowie eine Schlichtungsstelle (zunächst als Modellversuch) mit Dealdatenbank für mehr Transparenz und zur Vermeidung von Streitfällen einrichten.
Vor dem Hintergrund, dass Deutschland als Hochtechnologieland einen Fokus auf die Wissenschaft setzen sollte, sind die angedachten Initiativen begrüßenswert. Spannend bleibt dabei die Umsetzung der gedachten Schlichtungsstelle.
Fazit
Der Strategieplan der Bundesregierung greift die wichtigsten Kernthemen im Bereich der Start-up-Szene auf, bleibt in vielen Punkten aber zu vage. Hier bleibt abzuwarten, welche Maßnahmen konkret umgesetzt werden und welchen Impact diese Maßnahmen auf den deutschen Start-up-Markt haben werden. Insbesondere die den Start-ups immanent wichtigen Themen der Finanzierung sowie des Fachkräftemangels sollte bei der Umsetzung in zeitlicher, aber auch qualitativer Umsetzung absolute Priorität eingeräumt werden.
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